September 2023

Wer ist Jesus?

Mt 16,15: Und wer sagt ihr, dass ich sei?
 
Mit dieser Frage könnten wir eine neue Bekenntnis-Bewegung starten – genau, wie Jesus es gemacht hat. Die Leute in Israel hatten eine sehr hohe Meinung von ihm: „... wie einer der alten Propheten.“ Sie vermuteten sogar machtvolles Handeln Gottes in seiner Person: „Einer der alten Propheten ist auferstanden.“ Sie waren sogar bereit, sich von ihm auf Gottes Zukunft vorbereiten zu lassen: „Du bist Elia.“ Aber der sein, der er ist, durfte Jesus nicht. Und darin liegt der alles entscheidende Unterschied zum Bekenntnis des Petrus: „Du bist Christus, des lebendigen Gottes Sohn.“
 
Bei diesem Bekenntnis zu bleiben, scheint sehr schwierig zu sein. Jedenfalls schafft es die Christenheit nur alle paar Jahrhunderte mal für ein, zwei Generationen. Warum ist das eigentlich so? Man müsste doch nur mal von seinem „hohen Baum“ heruntersteigen, vor Jesus zum Stehen kommen und ihn sein lassen, wer er ist. Der Sünder Zachäus hat das geschafft. Schafft man das vielleicht nur, wenn man zugibt, daß man selbst Sünder ist, und er der Sünder-Heiland? „Zachäus begehrte, Jesus zu sehen, wer er wäre.“ – Ist das die entscheidende Voraussetzung für ein echtes Christus-Bekenntnis?
 
Für Theologen, ebenso wie für andere Sünder, die zu wirklicher Selbstwahrnehmung nicht willens sind, gilt bekanntlich das Prinzip von Christian Morgenstern: „Weil nicht sein kann, was nicht sein darf.“ Ein Sünder-Heiland ist Gottes großes, rotes X durch meinen so sorgfältig kultivierten Humanismus. Auch Lebensführung verkündigen wir oft und gerne als Multiple-Choice-Bogen, bei dem Jesus uns in seiner Liebe beim „Ankreuzen“ hilft. Wir verkündigen sie kaum mehr als ziemlich exakte Vorstellung eines heiligen Gottes, der alles, was zu ihm nicht passt, „durch-kreuzt“.
 
„Er sitzt zur Rechten Gottes, des allmächtigen Vaters. Von dort wird er kommen, zu richten die Lebenden und die Toten.“ Herr und Richter, gehört das eigentlich noch zu dem, was seine Jünger sagen, dass er sei? Und welche Konsequenzen ziehen wir persönlich daraus?
 

Simon Petrus gibt wohl im Namen der Jünger die entscheidende Antwort: „Du bist Christus, des lebendigen Gottes Sohn. Trotzdem sagt Jesus zu einem späteren Zeitpunkt zu ihm: „..., und wenn du dich dereinst bekehrst, ...“ (Lk 22,32). Warum? Drückt denn dieses Bekenntnis nicht schon eine Bekehrung aus? Ich muss dieses Bekenntnis von einer allgemeinen Wahrheit zu meinem persönlichen Besitz machen (mich bekehren). Das ist es, was Zachäus tut, als er vom Baum steigt. Dem drückt Jesus das Siegel auf: „Heute ist diesem Haus Heil widerfahren. Wieviele treue Bekenner werden am Ende doch verlorengehen, weil ihr Bekenntnis mit ihnen persönlich gar nicht zu tun hat?

Die Lutherische Orthodoxie benannte als Merkmale des Christseins als „notitia et assensus“, Kenntnisnahme und Zustimmung zur Lehre der Kirche. Daraufhin sagte der Pietismus: Nur wenn mein Herz vor Christus zerbricht, wird er mein Heiland.

Vielleicht hätte Jesus noch fragen sollen: Wer sagst du, dass ich bin?

Jens Döhling