Gottes Größe

13.08.2023
 
Hiob 9,10: Gott tut große Dinge, die nicht zu erforschen, und Wunder, die nicht zu zählen sind.
 
Eph 1,3: Gelobt sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus, der uns gesegnet hat mit allem geistlichen Segen im Himmel durch Christus.
 
Hiob ist bis ins Mark erschrocken vor der Größe Gottes. Sie macht seine Situation ausweglos – wie ein Unwetter, das den gesamten Horizont ausfüllt. Sie macht sein Scheitern vollkommen – nicht nur als Sünder, sondern sogar als Unschuldigem.
 
Diese Größe Gottes scheint ihm völlig willkürlich und nicht beeinflussbar. Deshalb ist die obige Aussage Hiobs eher als Resignation, denn als Anbetung zu verstehen.
 
Die Erkenntnis der Größe Gottes in Ps 139 ist recht ähnlich, hat aber völlig andere Konsequenzen. Eine Konsequenz des Psalmisten ist der Entschluss: Wenn ich Gottes Größe ohnehin nicht ausweichen kann, kann ich ebensogut gleich zu ihr hin fliehen. Die andere Konsequenz ist die Bereitschaft zur Buße, um dadurch auf Gottes „ewige Wege“ zu kommen. Dem liegt eine Erkenntnis Gottes zugrunde, zu der Hiob sich nicht mehr durchringen kann: Gottes Größe ist zutiefst bestimmt von seiner Güte und Langmut.
 
Hiob bleibt in seiner seelsorglichen Situation nur das Entsetzen über die schiere Größe Gottes. Zum Herzen des Vaters kann er sich nicht mehr durchglauben. Insofern könnte man vielleicht das Buch Hiob größtenteils als eine Art Gegenentwurf zu einem Evangelium lesen. In diesem Sinne zeigt es auch das Scheitern allen menschlichen Strebens zu Gott hin auf, das Hiob am Schluss selbst zusammenfasst: „Bisher kannte ich dich nur vom Hörensagen“.
 
Demgegenüber streckt sich dieser große Gott in Jesus Christus zum Menschen hin aus, und zwar nicht, um ihm – entgegen Hiobs Befürchtungen – Gottes Größe um die Ohren zu hauen, sondern um Gottes gütige, schöpferische Machtworte in sein Leben hineinzusprechen, also zu segnen (lat. benedicere = Gutes sagen).
 
Hiob empfindet sein Leben, als spreche dieser große Gott seine Machtworte ihm zum Fluch – willkürlich und ohne nachvollziehbare Gründe. Diese humanistische Selbstsicht muss Gott ebenfalls in seiner Größe korrigieren: „Wo warst du, als ich die Erde gründete?“. Am Ende schließt Gott das gesamte Scheitern Hiobs – das Scheitern an Gottes Größe und das Scheitern an seiner Sicht auf sich selber – in seine Macht, Leben zu schaffen und zu verändern.
 
Das ist der Segen, den Gott in Jesus Chrsitsus schenkt. Dieser Segen wird nicht dadurch geschmälert, dass Teile davon himmlisch bleiben und auf ihre Verwirklichung warten. Da dieser Segen von Jesus Christus nicht gelöst werden kann, weil er in seiner Macht besteht, tun Zeit und Ewigkeit ihm keinen Abbruch. Uns bleiben zwei Aufgaben: Den Segen nicht von Jesus zu lösen und uns nicht von Jesus zu lösen.
 
Jens Döhling